Wenn ein harmloses Meeting kippt...
Das Team sitzt im Raum B17. Montag morgen. Das Licht ist grell, der Kaffee noch heiss. Der Beamer summt leise. Die Agenda ist klar: Statusupdate zur Prozessoptimierung in der Abteilung.
Anna, Bereichsleiterin Controlling, startet ruhig. „Ich möchte einen Vorschlag einbringen, wie wir die Wartezeiten bei der Freigabe verkürzen können. Es betrifft primär Schritt 3 im Genehmigungsprozess.“
Noch bevor sie ihre zweite Folie zeigt, lehnt sich Herr Moser zurück. Finanzchef. Dienstältester im Raum. Langsam, sehr langsam legt er den Stift aus der Hand, verschränkt die Arme. Dann kommt der Satz. „Also ehrlich gesagt… das ist jetzt nicht Ihr Thema, Frau Baumgartner.“
Es bleibt still.
Kein Lachen, kein Raunen. Nur eine plötzliche Dichte in der Luft. Die Kollegin rechts von Anna blättert in ihren Unterlagen. Zwei andere tippen etwas in ihre Laptops. Niemand schaut sie an. Anna atmet ein. Der Cursor ihrer Präsentation blinkt weiter.
Sie weiss: Wenn sie jetzt einfach weitermacht, wirkt sie trotzig. Wenn sie lacht, wirkt sie unterwürfig. Wenn sie sich verteidigt, hat er gewonnen. Sie spürt den Reflex, sich zu erklären. Doch sie erinnert sich: Das hier ist kein inhaltliches Gespräch.
Das ist ein Statusspiel.
Was Anna erlebt hat, war kein Missverständnis.
Es war auch keine Meinungsverschiedenheit.
Es war eine Statusansage. Ein klassischer Fall von vertikaler Kommunikation.
In der vertikalen Kommunikation wird nicht primär um Inhalte gerungen, sondern um Rang und Raum.
Wer dominiert?
Wer ordnet sich unter?
Wer setzt die Spielregeln?
Solche Systeme erkennt man nicht immer auf den ersten Blick. Sie können höflich daherkommen. Oder ruppig. Aber sie folgen stets der gleichen Logik:
Zuerst wird die Hierarchie geklärt. Dann - vielleicht - der Inhalt.
In vielen Führungsetagen, Projektmeetings oder interdisziplinären Gremien laufen Gespräche nach genau diesem Muster. Nicht jede Wortmeldung zählt gleich. Nicht jedes Argument wird gehört. Was zählt, ist oft: von wem es kommt.
Typische Merkmale vertikaler Kommunikation:
Vertikale Kommunikation kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein - etwa in der Krise oder bei klarer Führungsverantwortung. Doch sie birgt ein Risiko: Sie ist anfällig für Eskalation. Warum? Weil sie leicht kippt, weg vom Dialog, hin zum Machtspiel. Und das geschieht oft unbemerkt.
Der Organisationsberater und Kommunikationsexperte Dr. Peter Modler beschreibt drei typische Eskalationsformen im vertikalen Kommunikationssystem: High Talk, Basic Talk und Move Talk. Sie zeigen, wie Gespräche sich vom sachlichen Austausch zum Machtspiel entwickeln. Oft unmerklich, aber mit grosser Wirkung.
Vertikale Kommunikation wirkt auf den ersten Blick sachlich. Gerade im elaborierten Modus kann sie fast akademisch daherkommen: differenziert, höflich, intellektuell. Doch wer glaubt, dies sei das eigentliche Gespräch, irrt. Denn im vertikalen System ist Kommunikation immer auch ein Instrument der Macht. Und sie kennt mehrere Ebenen.
Eskalation bedeutet im vertikalen System nicht Lautstärke.
Sondern: ein Wechsel der Kommunikationsebene, um Kontrolle zu behalten.
Dieser Wechsel folgt meist einem Muster.
Wenn ein echter Interessenskonflikt entsteht - oder jemand als Gefahr für den eigenen Status empfunden wird - steigen vertikale Kommunikatoren von High Talk über Basic Talk zu Move Talk auf.
Nicht aus Bosheit. Sondern aus Systemlogik.
High Talk ist die Bühne des gebildeten Diskurses. Hier zählen Argumente, Fachwissen, rhetorisches Geschick. Die Sprache ist elaboriert, oft voller Subtexte, auch Ironie hat ihren Platz. Vertikale und horizontale Gesprächspartner können sich hier begegnen, scheinbar auf Augenhöhe.
Doch der Schein trügt. Für vertikal Denkende gilt: High Talk ist möglich, aber nur unter einer Bedingung: die Rangklärung muss vorab stattgefunden haben. Erst wenn klar ist, wer oben steht, darf diskutiert werden.
Horizontale Kommunikatoren kennen oft nur diese Form der Auseinandersetzung. Sie halten High Talk für die einzig legitime Ebene. Und sie beherrschen ihn - inhaltlich, sprachlich, intellektuell.
Gerade deshalb geschieht in Meetings etwas Bemerkenswertes: Vertikale greifen Fachlich-Starke im High Talk nur selten an. Das wäre riskant und womöglich inhaltlich aussichtslos. Stattdessen eskalieren sie still - in den Basic Talk.
Wenn Argumente nicht mehr greifen oder der Status gefährdet scheint, folgt der Wechsel. Der Diskurs wird verlassen - das Gespräch kippt.
Basic Talk ist die verbale Form der Entwertung. Es wird nicht mehr argumentiert, sondern abgewertet, unterbrochen, belächelt.
Typische Merkmale:
Fachwissen zählt hier nichts mehr. Wer sich mit Daten, Studien oder Argumenten zu wehren versucht, läuft ins Leere - und wirkt am Ende sogar naiv.
Gerade Menschen, die den High Talk als einzig legitime Form kennen, sind hier besonders verletzlich. Sie geraten in Erklärungsnot und verlieren an Wirkung.
Ein berühmtes Beispiel: Donald Trump vs. Hillary Clinton. Clinton versuchte, sachlich zu punkten. Trump entwertete - mit Basic Talk. Und war damit bei vielen erfolgreicher.
Wenn auch das nicht reicht, folgt die höchste Eskalationsstufe: Move Talk. Jetzt wird nicht mehr gesprochen. Jetzt wird positioniert.
Move Talk ist kein Mangel an Sprache, sondern eine Sprache für sich. Der Begriff stammt vom lateinischen ag-gredi - „herangehen“. Und genau das geschieht: Ein Körper wird im Raum platziert. Mit Absicht. Mit Wirkung.
Typische Formen:
In Meetings entscheidet der Move Talk oft schon in den ersten 30 Sekunden, ob jemand Gehör findet oder ignoriert wird.
Wichtig: Move Talk ist nicht bloss Körpersprache. Er ist gezielte Kommunikation über Raum und Präsenz.
Sparsam - oder demonstrativ.
Still - aber unmissverständlich.
Wer ihn nicht erkennt, spürt nur: „Da ist etwas passiert.“ Doch was es war, bleibt diffus. Und genau das ist seine Macht.
Vertikale Kommunikation ist kein Gespräch auf Augenhöhe. Sie ist ein System - mit Eskalationslogik. Wer sie versteht, erkennt die Spielzüge. Wer sie nicht versteht, bleibt im High Talk stecken - während das Gegenüber längst eine andere Ebene bespielt.
Im nächsten Abschnitt sehen wir, warum so viele Menschen immer wieder falsch reagieren und wie es souverän geht.
Viele Menschen glauben, es gehe in Gesprächen um Verständigung. Um Inhalte, Lösungen, Logik. Sie sind gut vorbereitet, haben Fachwissen, Argumente - und wundern sich, wenn ihr Gegenüber trotzdem nicht zuhört. Oder sie einfach stehenlässt. Oder übergeht.
Was sie übersehen:
Nicht jede Kommunikation ist ein Gespräch im klassischen Sinn. In vertikal geprägten Situationen geht es oft um etwas anderes: Wer führt - und wer folgt? Wer hat das letzte Wort - und wer wird unterbrochen?
Gerade reflektierte, sachlich starke Persönlichkeiten neigen dazu, an der Argumentation festzuhalten, selbst wenn das Gegenüber längst eskaliert hat. Sie interpretieren Killerphrasen als Missverständnis. Sie beantworten Ausweichmanöver mit weiteren Erklärungen. Sie setzen auf Höflichkeit, wo Dominanz gefragt ist.
Doch im vertikalen System wirkt Höflichkeit nicht entschärfend, sondern unterordnend. Wer auf Basic Talk mit Fachwissen antwortet, wird überhört. Wer auf Move Talk mit einem Lächeln reagiert, wird übergangen.
Was stattdessen hilft:
Wer weiss, in welchem Spiel er steckt, kann anders agieren.
Nicht jedes Gespräch ist horizontal.
Nicht jedes Lächeln ist freundlich.
Nicht jede Unterbrechung ist Zufall.
Statt sich zu erklären, hilft es, Verhalten sichtbar zu machen:
„Sie weichen vom Thema ab. Ich würde gern beim konkreten Punkt bleiben.“
„Sie haben mich jetzt zum dritten Mal unterbrochen. Ich rede zu Ende.“
Kurz. Ruhig. Klar.
Basic Talk oder Move Talk sollten nicht unbeantwortet bleiben.
Wer wegschaut, sich entschuldigt oder gar stillschweigend weicht, verliert das Spiel. Oft dauerhaft.
Doch auch direkte Gegenangriffe führen selten zum Ziel. Sie verstärken nur das Machtspiel und machen angreifbar.
Wirkung entsteht nicht durch Rebellion - sondern durch Haltung.
Vertikal Kommunizierende prüfen ihr Gegenüber: Wird die Eskalation erkannt? Wird sie ausgehalten? Wird sie souverän gespiegelt? Wer in der Eskalation ruhig und gezielt reagiert, wird oft respektiert.
Und genau das führt nicht selten dazu, dass das Gespräch zurück auf die Sachebene gelenkt wird - weil die Machtfrage nun geklärt ist.
Es braucht dafür weder laute Worte noch grosse Gesten.
Oft genügt ein kontrolliertes Schweigen.
Ein klarer Satz.
Eine bewusste Verzögerung.
Eine aufrechte Sitzhaltung, der gehaltene Blick, eine gesenkte Stimme.
Nicht laut - aber klar.
Nicht unterwürfig - aber auch nicht provozierend.
Ein Moment, der Wirkung zeigt - gerade weil er still ist.
Es geht nicht um Sie. Es geht um Rang, Wirkung, Einfluss. Wer das erkennt, bleibt souverän - und bewahrt die eigene Haltung.
Viele meiner KlientInnen kennen diese Dynamiken theoretisch. Doch unter Druck, im echten Gespräch, greifen alte Muster. Sie erklären zu viel. Lächeln zu oft. Ziehen sich zurück. Wirkung entsteht, wenn das Verhalten sich ändert. Wenn Körpersprache, Sprache und Haltung zusammenwirken. Wenn Klarheit sichtbar wird - und Gehör schafft.
Genau dafür gibt es Training.
Die Theorie ist klar. Doch was geschieht, wenn man sie lebt?
Hier sind drei Menschen, die gelernt haben, sich im vertikalen Kommunikationssystem neu zu behaupten - ohne laut zu werden.
Sie war inhaltlich brillant. Struktur, Analyse, Risikobewertung - das war ihr Spielfeld. Doch im Führungskreis wurde sie regelmässig übergangen.
„Ich dachte, ich müsse nur ruhig bleiben und weiter erklären. Aber ich kam nicht mehr zu Wort.“
In einem Strategiemeeting geschah es wieder: Sie hatte gerade ihren Punkt ausgeführt, als der CEO demonstrativ den Laptop zuklappte. Ohne ein Wort. Alle schauten auf ihn - nicht auf sie.
Thema beendet.
Wir analysierten gemeinsam die Situation. Sie verstand: Das war kein Zufall. Das war Move Talk. Im Training arbeitete sie an ihrem eigenen Move Talk: Wie sie sich setzt. Wie sie Blickkontakt hält. Wie sie das Wort souverän einfordert - nicht als Bitte, sondern als Geste.
Sechs Wochen später schreibt sie:
„Ich rede nicht lauter. Aber ich bin präsenter. Und seit ich mich bewusster platziere, werde ich nicht mehr so leicht unterbrochen.“
Er war Ingenieur. Logisch, analytisch, fair. In jedem Meeting kam er mit sauber vorbereiteten Argumenten. Doch bei der Standortleitung blitzte er regelmässig ab.
„Ich habe mich gefragt, wie die das nicht sehen können. Ich habe doch Recht.“
Als sein Vorschlag zur Effizienzsteigerung mit „Dafür sind wir nicht zuständig“ abgewürgt wurde, argumentierte er weiter - vergeblich.
Wir übten die Situation. Ich zeigte ihm: Er war längst in einem Basic Talk gelandet. Und argumentierte ins Leere. Er lernte, kurze, klare Kontersätze zu setzen - ohne Rechtfertigung:
„Das Thema gehört sehr wohl hierher, und ich habe es bewusst eingebracht.“
„Das lasse ich so nicht stehen, ich schlage vor, wir gehen es konkret durch.“
Keine Aggression. Keine Unterwerfung. Nur Klarheit.
„Ich musste mich zwingen, die Sätze zu sagen. Aber sie wirkten. Ich war überrascht, wie schnell sich der Ton änderte.“
Sie war erfahren, beliebt im Team. Und trotzdem wirkungslos im Vorstand. Ihre Präsentationen wurden abgekürzt. Ihre Fragen ignoriert. Nicht laut, aber systematisch.
„Ich habe oft gespürt: Ich bin nicht gemeint. Ich bin nur dabei.“
Im Training arbeiteten wir mit Raum. Mit Sitzpositionen, Pausen, Sprechtempo. Sie lernte: Körpersprache ist nicht Dekoration - sondern Aussage.
Beim nächsten Anlass platzierte sie sich nicht mehr am Rand, sondern nah bei der Entscheidungsperson. Sprach langsamer. Ließ Stille zu. Und sagte zu Beginn nur einen Satz:
„Was ich jetzt sage, ist sehr wichtig. Ich erwarte, dass der Punkt zu Ende gehört wird.“
Sie wurde nicht mehr unterbrochen. Und zum ersten Mal - ernst genommen.
Diese drei Geschichten zeigen:
Es geht nicht darum, dominant zu werden.
Sondern darum, sich nicht länger klein machen zu lassen.
Vertikale Kommunikation orientiert sich an Rang und Revier bzw. Raum, nicht an Inhalt und Zugehörigkeit. Bevor Inhalte zählen, wird geklärt: Wer führt - wer folgt? Oft geschieht das nonverbal. Erst danach - vielleicht - wird diskutiert.
• High Talk: intellektueller, argumentativer Austausch auf hohem Niveau. Fachlich fundiert, oft mit Ironie, Differenzierung, elaborierter Sprache.
• Basic Talk: kurzer, vereinfachter Schlagabtausch. Plakative Sprache, keine Argumente mehr, stattdessen Killerphrasen, Unterbrechungen, persönliche Abwertungen.
• Move Talk: keine Worte mehr. Körpersprache, Raumverhalten, Distanz oder Nähe - bewusst eingesetzt zur Machtdemonstration.
Weil sie glauben, dass Argumente immer wirken, auch wenn das Gegenüber längst auf einer anderen Ebene kommuniziert. Gerade horizontal denkende Menschen bleiben zu lange im High Talk, obwohl das Gespräch längst im Basic Talk oder Move Talk stattfindet.
Sie klingen harmlos, entwerten aber jeden sachlichen Beitrag – ohne Gegenargument.
Move Talk zeigt sich in Gesten, Raumpositionierung, Blicken, Schweigen, Schrittfrequenz.
Typisch ist: jemand platziert sich bewusst, dreht sich weg, übergeht Sie bei der Begrüssung oder verlässt den Raum ohne Kommentar.
Die Wirkung: Gespräch beendet. Macht demonstriert.
Beispiel: „Ich bleibe bei meinem Punkt und will das gemeinsam klären.“
Nein. Sie ist weder gut noch böse, sondern ein System. Doch wer es nicht erkennt, verliert. Wer es versteht, kann auf Augenhöhe kommunizieren - auch wenn das Gegenüber es nicht tut.
Ja. Aber nicht nur durch Wissen. Sondern durch Training, Feedback und bewusste Übung. Wirkung entsteht durch Erfahrung. Durch Haltung. Und durch gezielte Präsenz.
Wer in vertikal geprägten Gesprächssituationen bestehen will, braucht mehr als gute Argumente. Er braucht ein Gespür für Spielregeln, die oft unausgesprochen bleiben. Er muss erkennen, wann ein Gespräch kippt - und auf welche Ebene. Und lernen, sich nicht zu rechtfertigen, sondern zu behaupten.
Nicht mit Lautstärke. Sondern mit Klarheit. Präsenz. Haltung.
Denn auch stille Menschen können kraftvoll wirken - wenn sie wissen, wie sie ihre Wirkung steuern.
Vielleicht haben Sie sich beim Lesen an eigene Situationen erinnert.
An ein Meeting, das plötzlich kippte. An eine Wortmeldung, die im Raum verhallte.
An einen Moment, in dem Sie nicht wussten, wie Sie sich behaupten sollen, obwohl Sie viel zu sagen gehabt hätten.
Wenn Sie lernen möchten,
dann lade ich Sie herzlich zu einem unverbindlichen Kennenlerngespräch ein.
Wir sprechen über Ihre Situation - und darüber, wie Sie Ihre kommunikative Wirkung gezielt verstärken können.
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Ein erster Schritt. Für mehr Wirkung. Ohne laut zu werden.
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