Wie Sie in Meetings leise wirken - und trotzdem Respekt gewinnen

Claudia ist gut vorbereitet, als sie den Besprechungsraum betritt.

Sie hat sich die Mühe gemacht, die Anforderungen für die neue Software mit allen Abteilungen abzuklären, Lösungen entwickelt, Hürden vorausgedacht. Jetzt liegen ihre Notizen ordentlich vor ihr. 

Doch als sie sprechen will, hebt Teamkollege Christian schon die Stimme:

„Wir sind eigentlich auf gutem Weg, wir müssen nur noch Details klären.“

Die Chefin nickt, der Punkt wird abgehakt. Claudia sitzt da, den Mund leicht geöffnet, während der nächste Traktandenpunkt kommt.

Kennen Sie das?

Sie haben etwas zu sagen, aber die Sitzung zieht weiter wie ein Zug, der den Bahnhof verlässt, bevor Sie aufspringen konnten. Später, zu Hause, formulieren Sie im Kopf die perfekte Argumentation, die jetzt niemand mehr hören wird.

Die stille Falle: Horizontal gegen vertikal

Claudia ist eine horizontale Kommunikatorin: Sie denkt gründlich, hört aufmerksam zu, wägt ab, entwickelt durchdachte Lösungen. Sie ist der Sache verpflichtet.

Christian ist ein vertikaler Kommunikator: Er weiss, wie man sich im Raum bewegt, schweigt im richtigen Moment, setzt gezielt Gesten ein, schaut direkt, spricht klar und knapp. Sein Körper spricht, bevor er den Mund öffnet.

Hier liegt der Knackpunkt:

Leise, sachorientierte Menschen glauben oft, dass Reden der einzige Weg sei, sich zu zeigen. Sie vertrauen auf Inhalte und glauben, diese müssten für sich sprechen.

Vertikale Kommunikatoren verstehen, dass Kommunikation auch Machtspiele bedeutet: Wer redet wann? Wer darf abschweifen? Wer wird unterbrochen? Wer markiert Präsenz im Raum, bevor er ein Wort sagt?

„Move Talk“: Wenn der Körper spricht

Christian lehnt sich vor, spreizt die Finger auf dem Tisch, nimmt Blickkontakt auf. Sein Körper beansprucht Raum, bevor sein Argument Raum beansprucht.

Claudia sitzt aufrecht, die Hände im Schoss, der Blick auf den Laptop gerichtet, bereit, die perfekte Formulierung zu finden. Doch während sie noch denkt, hat Christian den Raum bereits genommen.

„Move Talk“ bedeutet:

  • Blickkontakt suchen, bevor Sie sprechen
  • Unterarme auf Tisch legen, leicht nach vorne lehnen
  • Den Arm leicht heben oder eine Notiz zur Seite legen, um nonverbal anzukündigen, dass Sie jetzt sprechen werden

Diese kleinen, leisen Moves sind keine Show. Sie sind das nonverbale Signal: „Ich nehme jetzt Raum ein.“

Die stille Präsenz: Respekt gewinnen, ohne laut zu werden

Claudia entschied, dass es so nicht weitergehen konnte. Sie wollte nicht lauter werden, sie wollte wirksamer werden.

Sie begann, sich die Spielregeln der vertikalen Kommunikation bewusst zu machen, ohne ihre Natur zu verraten.

Sie lernte:

  • Wann sie sprechen muss, auch wenn der Gedanke noch nicht zu Ende gedacht ist
  • Wie sie sich vorbereitet, um ihre Kernaussage in drei Sätzen zu platzieren
  • Wie sie Präsenz markiert, bevor sie zu sprechen beginnt

Grenzen setzen - ruhig, aber unmissverständlich

Als Christian im nächsten Meeting wieder ansetzt, Claudia zu unterbrechen, bleibt sie ruhig. Sie spricht einfach weiter, während für einen Moment beide reden. Dann hebt sie langsam die Hand in Richtung Christian - ohne ihn anzuschauen - und sagt ruhig, aber bestimmt: „Ich werde diesen Punkt zu Ende führen.“

Sie spricht nahtlos weiter, ohne ihre Stimme zu heben, ohne sich zu rechtfertigen. Christian stockt und verstummt.

Einen Augenblick lang liegt eine Spannung im Raum - dann ist klar: Das Machtverhältnis hat sich verschoben.

Claudia hat die Gesprächsführung übernommen, ohne laut zu werden, ohne sich zu ärgern, ohne Christians Taktlosigkeit zu kommentieren. Sie hat ihre Grenze gesetzt, unaufgeregt und unmissverständlich.

Sie spricht langsam, klar, ohne Eile. Keine Rechtfertigung. Keine langen Erklärungen. Nur der Punkt, den sie vorbereitet hat.

Macht zeigt sich nicht in Lautstärke, sondern in Timing

Leise Menschen denken oft, sie müssten schneller sprechen, um in Meetings nicht unterzugehen. Doch darum geht es nicht.

Es geht nicht um Tempo.

Es geht darum, den richtigen Moment zu erkennen - und dann bereit zu sein. Mit klaren Worten, einem ruhigen Ton, einer Geste, die Ihre Präsenz unterstreicht.

Es geht darum, ein Repertoire an Techniken zu haben, auf das Sie im entscheidenden Augenblick zugreifen können. Damit Sie Ihre Stimme erheben können, wenn es zählt, ohne sich zu verbiegen.

Christian spricht oft schnell und laut. Claudia spricht ruhiger, aber sie achtet auf das Timing. Wenn sie spricht, schweigen die anderen, weil sie ihre Präsenz spüren.

Die Integration der eigenen Schatten

C.G. Jung nannte es „Integration der Schatten“: Die Akzeptanz eigener Anteile, die wir oft verstecken wollen - Unsicherheit, Angst, Wut.

Claudia hat erkannt, dass sie manchmal zögert, weil sie perfekt sein möchte. Dass sie sich nicht zeigt, weil sie Angst hat, zu stören. Dass sie sich zurücknimmt, um Konflikte zu vermeiden.

Doch sie lernte: „Ich darf da sein. Ich darf Raum einnehmen. Ich darf sprechen, auch wenn ich nicht perfekt bin.“

Wenn Zurückhaltung zum Stolperstein wird

Manuela sitzt im Meeting, die Hände auf dem Notizbuch gefaltet. Sie spürt, wie ihr Herz schneller schlägt, als der Kollege neben ihr lautstark eine schwache Idee verteidigt. Sie weiss, dass ihre Lösung besser ist, durchdachter, sauberer. Doch innerlich hält sie sich zurück.

„Ich bin nicht so. Ich will nicht wie er sein“, denkt sie. „Ich will nicht Machtspiele spielen.“

Sie schweigt.

Und während der Kollege sein Thema ausbreitet, fühlt sie, wie der Moment verstreicht. Wie ihre Chance vergeht. Wie das Projekt in die falsche Richtung läuft, während sie glaubt, es sei „nicht authentisch“, sich durchzusetzen.

Erst Tage später versteht Manuela: Es geht nicht darum, laut oder aggressiv zu sein. Es geht darum, das Richtige zu sagen, wenn es darauf ankommt.

Die Kunst der selektiven Authentizität

Authentisch sein heisst nicht, alles herauszuposaunen, was man denkt. Es heisst, echt zu sprechen, wenn man spricht, und zum richtigen Zeitpunkt.

Ruth Cohn prägte den Satz: „Nicht alles, was echt ist, will ich sagen. Doch was ich sage, soll echt sein.“

Claudia verstand: Sie muss nicht alles sagen, sie muss das Richtige sagen. Zur richtigen Zeit. Mit Präsenz.

So trainieren Sie stille Wirkung in Meetings:

✅ Vorbereitung ist Macht: Formulieren Sie Ihren Punkt in 1-3 Sätzen.

✅ Move Talk: Nehmen Sie Raum ein, bevor Sie sprechen.

✅ Drei-Sekunden-Regel: Warten Sie, bevor Sie sprechen, um Präsenz aufzubauen.

✅ Grenzen ziehen: Lassen Sie sich nicht unterbrechen, fordern Sie Respekt ruhig ein.

✅ Timing statt Lautstärke: Sprechen Sie dann, wenn es zählt.

✅ Selektive Authentizität: Sagen Sie weniger, aber sagen Sie es klar.

Fazit: Sie dürfen leise sein. Aber nicht unsichtbar.

In einer Welt, in der oft die Lauten dominieren - und jene, die mit Status- und Machttaktiken Gespräche subtil führen - , brauchen leise Fach- und Führungskräfte keine neue Persönlichkeit, sondern neue Strategien.

Sie müssen nicht lauter werden, um gehört zu werden. Sie müssen lernen, ihre leise Stärke sichtbar zu machen.

So wie Claudia.

Denn Respekt gewinnt, wer keinen Respektverlust duldet.

Und wer mit ruhiger Präsenz zeigt: „Ich bin hier. Ich habe etwas zu sagen. Und es lohnt sich, mir zuzuhören.“

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